28.02.2023 - Fachartikel

Kombinierte Einführungsstrategien: Per Kombo zur erfolgreichen Softwareeinführung

Kombinierte Strategien zur Einführung von Unternehmenssoftware integrieren die Big-Bang-Methode und iterative Vorgehensmodelle. Dadurch lassen sie sich bei großen Einführungsprojekten genauer und individueller an die Bedürfnisse des Unternehmens anpassen. Erfahren Sie hier, für welche Unternehmen sich welche Kombination von Einführungsstrategien eignet, worin die jeweiligen Vorteile und Nachteile bestehen und welche Strategie Sie für Ihr Einführungsprojekt komplexer Unternehmenssoftware wählen sollten.

Warum gibt es kombinierte Strategien für die Softwareeinführung?

Neben der Softwareeinführung nach der Big-Bang Methode und iterativen Vorgehensweisen kommen weitere Softwareeinführungsstrategien infrage, die für die Software-Einführungsprojekte in Unternehmen im Einzelfall passender sein können. Weithin bekannt und klar umrissen sind die Big-Bang-Strategie, und drei iterative Einführungsstrategien:

Softwareeinführung nach Big Bang

Bei der Big-Bang-Strategie werden alle Softwaremodule zu einem bestimmten Stichtag für alle Nutzer aktiviert. Die neue Software ersetzt das Altsystem ganzheitlich, sodass Nutzer keine Prozesse im Neu- und Altsystem parallel pflegen müssen. Das Risiko ist jedoch hoch.

Projektorientierter Rollout

Die projektorientierte Softwareeinführung ist eine Variante der iterativen, also schrittweisen Softwareeinführung. Ein kleines Projektteam nutzt die neue Software als Tiger Team zunächst in einem unternehmenstypischen Projekt. Nach entsprechenden Anpassungen erfolgt die Einführung unternehmensweit.

Funktional iterative Einführungsstrategie

Die funktional iterative Softwareeinführung ist eine Variante der iterativen, schrittweisen Einführung von modularer Unternehmenssoftware. Bei diesem Ansatz werden die einzelnen Funktionsmodule der neuen Software nacheinander im Unternehmen eingeführt.

Abteilungsweise oder regional iterativer Rollout

Die regional iterative Softwareeinführung und die nach gleichem Prinzip ablaufende abteilungsweise iterative Softwareeinführung sind Varianten der iterativen, schrittweisen Einführung. Ein Unternehmen führt eine Software vollständig mit allen gewünschten Funktionsmodulen sukzessive an verschiedenen Standorten oder Abteilungen ein.

Bei großen Einführungsprojekten komplexer Unternehmenssoftware kommen in der Praxis jedoch auch andere Strategien zum Einsatz, die aus Kombinationen dieser vier Strategien bestehen. Kombinierte Strategien bieten den Vorteil, dass sie sich den individuellen Bedürfnissen und Anforderungen des Unternehmens besser anpassen lassen und sich somit die Risiken der Softwareeinführung mindern, Einführungszeiten verkürzen oder die Akzeptanz der Softwareeinführung steigern lassen. Die Kombination verschiedener Strategien kann die spezifischen Vorteile der Einzelvarianten akkumulieren.

Welche kombinierten Einführungsstrategien gibt es?

In der Praxis sind verschiedene Einführungsstrategien beliebig kombinierbar. Drei geläufige Kombinationen sind folgende:

  • Pilotierte Einführung: Bei der Kombination der regional und der funktional iterativen Einführung wird jedes Modul zeitlich versetzt regional iterativ im Unternehmen eingeführt.
  • Regional iterative Einführung mit anschließendem Big Bang: Zunächst wird schrittweise über die Standorte oder Abteilungen eingeführt. Sobald genug Erfahrungen gesammelt und die angefallenen Probleme gelöst wurden, wird in den restlichen Standorten nach Big Bang eingeführt.
  • Big Bang mit anschließender funktional iterativer Einführung: Die Software wird ohne vorbereitende Absprachen zu den sich ändernden Prozessen nach Big Bang eingeführt. Die Anpassungen werden danach vorgenommen.

Theoretisch sind mehr Kombinationen als die hier aufgeführten möglich.

Pilotierte Einführung: Schonverfahren für minimales Risiko

Die pilotierte Einführung ist eine Kombination aus regional iterativer und funktional iterativer Einführung. Einzelne Softwaremodule oder Modulgruppen werden zeitlich versetzt regional iterativ im Unternehmen eingeführt. Dieses Verfahren benötigt bis zum Abschluss der Einführung viel Zeit.

Der Start der eigentlichen Einführung kann jedoch sehr schnell erfolgen, da der Softwareanbieter vorab nur die Schnittstellen des ersten Moduls einrichten muss und die Projektvorbereitungsphase somit weniger aufwendig ist.

Sollten technische Probleme auftreten, bleibt genügend Zeit zur Behebung, bevor die Einführung desselben Moduls am zweiten Standort beginnt. Auch die Probleme der Mitarbeiter, die bei der Prozessumstellung angefallen sind, können nach der ersten Einführungsphase gelöst werden. Dadurch ist das Risiko pro Iterationsschritt deutlich gemindert. Auch relativ unerfahrene Projektleiter können das Einführungsprojekt erfolgreich realisieren.

Pilotierte Softwareeinführung: Vorteile und Nachteile im Überblick

  • Kurze und einfache Vorbereitung
  • Lange Projektlaufzeit
  • Schnelle Erfolge
 
  • Geringe Abbruchkosten
 
  • Auftretende-Probleme betreffen wenige Mitarbeiter
 
  • Geringes Projektrisiko
 

Wann ist die pilotierte Softwareeinführung sinnvoll?

Die pilotierte Einführung ist ideal, wenn die Anforderungen und der gewünschte Funktionsumfang noch unklar sind. Schritt für Schritt spezifiziert eine jeweils begrenzte Anzahl an Nutzern die Anforderungen im Lauf der Einführung. Die Einführung sollte an dem Standort oder in der Abteilung mit der größten Motivation beginnen. Als erstes Modul sollten die Beteiligten das mit dem erwartungsgemäß größten Nutzen für das Kundenunternehmen auswählen.

Die pilotierte Strategie ist besonders gut geeignet, wenn

  • mindestens zwei, aber höchstens fünf Funktionsmodule eingeführt werden sollen,
  • die Software an mindestens zwei Standorten oder Abteilungen eingeführt werden soll,
  • neue Schnittstelen zu konfigurieren sind und tiefgreifende Anpassungen vorgenommen werden sollen
  • nicht viele Altsysteme abgelöst werden müssen,
  • das Management nicht voll hinter dem Vorhaben steht,
  • der Projektleiter nur mäßige Erfahrung aufweist,
  • die Anforderungen unklar sind
  • der gewünschte Funktionsumfang noch unklar ist
  • die Mitarbeiterschaft nur mäßig motiviert ist

Wann ist die pilotierte Einführung nicht sinnvoll?

Bei nur einem oder vielen Standorten und Abteilungen eignet sich die pilotierte Einführung nicht, da sie zu zeitaufwendig ist. In diesem Fall sollten Sie eine funktional iterative oder projektorientiere Einführungsstrategie wählen. Bei einem engen Zeitplan oder vielen abzulösenden Systemen sind eine Einführung nach Big Bang oder kombinierte Strategien mit Big Bang zu empfehlen.

Regional iterative Softwareeinführung mit anschließendem Big Bang

Die Einführung der Software erfolgt schrittweise über die Standorte oder Abteilungen. Dabei sammeln alle Prozessbeteiligten Erfahrungen und lösen aufkommende Probleme. Nachdem diese regionale Testeinführung abgeschlossen ist, erfolgt die Softwareeinführung an allen anderen Standorten mit sämtlichen Modulen im Big-Bang-Verfahren. Je heterogener die Arbeitsweisen und Anforderungen der verschiedenen Abteilungen sind, desto mehr Abteilungen oder Standorte sollten zunächst iterativ vorgehen.

Die Strategie empfiehlt sich, wenn die neue Lösung in vielen (mindestens 4) Abteilungen oder Standorten eingeführt werden soll, aber noch Unsicherheiten bezüglich der neuen Prozesse bestehen. Die stufenweise Einführung mindert die Risiken und neu gewonnene Erfahrungen fließen in die Vorgehensweise der nächsten Phasen ein. Damit das Controlling während der Einführungsphase funktioniert, muss die Entwicklung temporäre Schnittstellen vorbereiten.

Regional iterative Einführung mit anschließendem Big Bang: Vorteile und Nachteile im Überblick

  • Geringeres Projektrisiko als bei reiner Big-Bang-Einführung
  • Zu vorbereitungsintensiv, wenn viele Systeme abgelöst werden müssen
  • Schneller als reine regional iterative Einführung
  • Nicht sinnvoll, wenn standortübergreifend in Projektteams gearbeitet wird
  • Erfahrungen fließen direkt in weiteren Einführungsprozess ein 
  • Wird standortübergreifend ausgewertet, sind viele temporäre Schnittstellen nötig
  • Risikoarm bei vielen Standorten oder Abteilungen
 

Wann ist eine regional iterative Einführung mit anschließendem Big Bang sinnvoll?

Die regional iterative Einführung mit anschließendem Big Bang ist beste Strategie, wenn eine nur wenige Module einer modularen Unternehmenssoftware in vielen Standorten oder Abteilungen eines Unternehmens oder Konzern eingeführt werden sollen und die Gestaltung künftiger Abreisprozesse vor Einführungsbeginn noch nicht final geklärt werden.

Wann ist eine regional iterative Einführung mit anschließendem Big Bang nicht sinnvoll?

Je mehr Module eingeführt werden sollen und je mehr Altsysteme abgelöst werden sollen, desto unrentabler und risikoreicher wird die regional iterative Einführung mit anschließendem Big Bang. Soll die neue Software in weniger als vier Standorten oder Abteilungen eingeführt werden, ist diese Einführungsvariante nicht sinnvoll.

Big Bang mit funktional iterativer Einführung: Wenn die Zeit drängt

Wenn die Zeit drängt und eine Einführung sehr kurzfristig erfolgen muss, ist diese Variante des Big Bang, die wir auch als „Kamikaze-Methode“ bezeichnen mitunter die einzig verbleibende Option. Dies ist beispielsweise der Fall bei:

  • Erforderlicher Ablösung des Altsystems wegen Vorgaben von Datenschutz oder Datensicherheit
  • Ausgründung oder Firmenübernahme
  • Zeitnahem Auslaufen von Lizenzen

Die Einführung erfolgt nach Big Bang, allerdings wird die Projektvorbereitung so kurz wie möglich gehalten. Notwendige Prozessanpassungen und Schulungen der Mitarbeiter finden erst nach der Einführung schrittweise statt.

Das Risiko bei dieser Variante ist sehr hoch, da kein Test des neuen Systems vor der Einführung stattfindet. So kann sich zu spät herausstellen, dass die Software hinsichtlich ihrer Funktionalitäten oder der Usability nicht den Erwartungen entspricht und auf Widerstand in der Mitarbeiterschaft stößt. Diese Einführungsstrategie verlangt daher nach einem erfahrenen Projektleiter, der Nutzern die Strategie transparent und kompetent erläutert.

Big Bang mit funktional iterativer Einführung: Vorteile und Nachteile im Überblick

  • Schnelle Ablösung der alten Software
  • Höchstes Risiko aller Einführungsvarianten
  • Kurze Projektvorbereitung
  • Temporär unangepasste Software für wichtige Prozesse
 
  • Erfordert sehr erfahrenen Projektleiter

Wann ist Big Bang mit funktional iterativer Einführung sinnvoll?

Die Einführung nach Big Bang mit anschließender funktional iterativer Einführung ist die beste Strategie, wenn alle Anwender innerhalb kurzer Zeit alle Module nutzen müssen. So können harte Zeitvorgaben, zum Beispiel beim Auslaufen der Lizenzen der abzulösenden Software, eingehalten werden. Sollen viele Altsysteme abgelöst werden, ist diese Variante neben einer reinen Big-Bang-Einführung die einzige Option.

Wann ist Big Bang mit funktional iterativer Einführung nicht sinnvoll?

Je mehr Mitarbeiter und je mehr Abteilungen von der Softwareeinführung betroffen sind, desto problematischer wird der Einsatz dieser „Kamikaze-Methode“. Der Verzicht auf Prozessdiskussion würde zu viel Unruhe im Unternehmen führen. Ist kein erfahrener Projektleiter verfügbar, birgt diese Vorgehensweise ein zu hohes Risiko. Idealerweise ist externe Expertise hinzuzuziehen. Ab mehr als zwei Funktionsmodulen empfehlen sich eher zeitintensivere Einführungsarten wie die funktional iterative oder die projektorientierte Einführung.

Welche Einführungsstrategie ist die richtige für mein Unternehmen?

Falls Sie eine kombinierte Einführung von Unternehmenssoftware in Betracht ziehen, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Ihre Erfolgsaussichten zu verbessern. Wichtig ist dabei, die 11 Faktoren zu berücksichtigen, die die Wahl der geeigneten Strategie beeinflussen, und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diese Faktoren zu optimieren. So können Sie Ihre Chancen auf eine erfolgreiche Einführung der Software deutlich steigern.

Wenn Sie unsicher sind, ob eine regional oder abteilungsweise iterative Einführung von Unternehmenssoftware die geeignete Vorgehensweise für Ihr Einführungsprojekt darstellt, können Sie auf unsere Expertise zählen. Mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Einführung komplexer Softwarelösungen können wir Ihr Projektteam individuell und kompetent durch Strategiefindung, Schulungen, Workshops und Beratung unterstützen.

 

Kontakt zu Projektron

Über den Autor

Francisco Josué Artaza arbeitet seit 15 Jahren bei der Projektron GmbH, derzeit als Marketingleiter und Anwenderberater. Er ist zertifiziert nach IPMA, PRINCE2 sowie als Scrum Product Owner. Er ist Experte für Softwareeinführungsstrategien und hat ein Tool entwickelt, das die Auswahl der passenden Strategie erleichtert.

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