17.10.2025 - Fachartikel

Führung in Veränderungsprozessen – wie sich das Verhalten in Unternehmen verändert und was Führungskräfte unbedingt wissen sollten

In einer Welt, in der Krisen, Umbrüche und Unsicherheit zur neuen Normalität geworden sind, reichen klassische Führungswerkzeuge nicht mehr aus. Routinen brechen weg, Konflikte nehmen zu – und plötzlich entscheidet nicht mehr der beste Prozess, sondern das Verhalten der Menschen über Erfolg oder Misserfolg. Dieser Artikel zeigt, warum Führungskräfte heute anders führen müssen, welche Rolle Anpassungsfähigkeit und Resilienz dabei spielen und wie Modelle wie DiSG® Orientierung bieten können, ohne zur Schublade zu werden.

Krisen, Routinen, Konflikte: Warum Führung neue Antworten braucht

Krisen, Umbrüche und ständige Veränderungen sind Alltag, der Druck steigt und damit kommen auch immer wieder individuelle Konflikte auf die Tagesordnung. Immer häufiger fühlen sich die Beteiligten dabei von ihren Routinen, die sie in Geschäft und zwischenmenschlichen Bereichen etabliert haben und die eben noch verlässlich waren, verlassen. Abläufe, die ein Unternehmen noch situativ begünstigen, funktionieren plötzlich nicht mehr. Konflikte in Unternehmen nehmen zu. 

Daran spiegelt sich die Erkenntnis, dass Stabilität nicht mehr so sehr durch starre Strukturen entsteht, sondern durch 

Anpassungsfähigkeit

Resilienz 

bewussten Umgang miteinander

Immer mehr Menschen erkennen, dass nicht allein Strategien oder Abläufe über Erfolg und Misserfolg entscheiden, sondern vor allem das Verhalten der Menschen im Unternehmen. Es bestimmt, ob Zusammenarbeit gelingt, oder ob Stress und Distanz das Miteinander blockieren.

Mich beschäftigt dieses Thema seit langem, und das aus drei wesentlichen Gründen. 

  1. Zum einen erlebe ich in meinem eigenen unternehmerischen Handeln, dass erst durch die Klärung, wie das Gegenüber tickt, ein wirklich verbindendes Gespräch und eine wirklich zielführende Konfliktlösung möglich wird.
  2. Zum zweiten stelle ich fest, dass viele Menschen in ihrem Alltag oder in Krisen und Konflikten mit den üblichen Mitteln nicht weiterkommen: Die „Standardmaßnahmen” greifen nicht, man verstrickt sich im schlimmsten Fall immer tiefer in Stress und Misserfolg.
  3. Drittens muss mir als Trainer, Berater und Coach daran liegen, den Menschen in Unternehmen Modelle und konkrete Handlungsanweisungen an die Hand geben zu können, die genau das leisten, was sie brauchen: ihre Probleme zu klären, mit denen sich im Alleingang nicht weiterkommen und die sie ohne professionelle Hilfe immer weitertragen würden.

In diesem Beitrag teile ich meine Sicht, warum das Verhalten der Menschen heute ein Schlüsselthema ist, welche Rolle das DiSG®-Modell spielen kann – und wo seine Grenzen liegen. 

Führung in Veränderungsprozessen als Schlüsselthema der Arbeitswelt

Dass sich die Arbeitswelt verändert hat, spüre ich in nahezu allen Projekten, die ich begleite. Globale Krisen, technologische Sprünge und wirtschaftliche Unsicherheiten machen Verlässlichkeit zur Ausnahme. Was gestern noch funktionierte, kann heute schon überholt sein. Selbst stabile Prozesse geraten ins Stocken, und traditionelle Erfolgsrezepte zeigen Risse.

Das heißt für mich: Kontrolle und Planung allein reichen heute nicht mehr aus. Gesucht wird die Fähigkeit, flexibel auf das Unvorhergesehene zu reagieren und Menschen durch Unsicherheiten zu führen. Anpassungsfähigkeit und Resilienz sind längst keine Schlagworte mehr, sondern Überlebensfaktoren – für Unternehmen wie auch für Teams und Führungskräfte. Und mittendrin: der Mensch mit seinem Verhalten, seinen Gewohnheiten, aber auch der Fähigkeit, Neues zu lernen und sich anzupassen. 

Ob ein Team gestärkt aus einer Krise hervorgeht oder auseinanderfällt, hängt weniger von Tools und Strategien ab, sondern vor allem von den Beziehungen im Team:

Besteht Vertrauen? 

Werden Konflikte konstruktiv gelöst? 

Übernehmen alle Verantwortung? 

Oder blockieren Unsicherheit und Stress das Miteinander?

Wenn ich auf mein eigenes Team schaue, frage ich mich: 

Was passiert, wenn Routinen wegbrechen? 

Ziehen wir uns zurück und machen es uns auf unseren „Inseln“ bequem? 

Oder schaffen wir es, gemeinsam neue Wege zu erkunden und neue Inseln zu erreichen?

Genau hier liegt für mich der Kern: Verhalten ist zum entscheidenden Faktor geworden. Und deshalb lohnt es sich, Instrumente wie DiSG® und vergleichbare Modelle kritisch zu betrachten – nicht als Patentrezepte, sondern als mögliche Hilfen, um Resilienz zu fördern und Verhaltensmuster sichtbar zu machen.

"Nicht Tools entscheiden, sondern Verhalten."

Warum sich Führung in Veränderungsprozessen neu ausrichten muss

Meine Erfahrungen der jüngsten Zeit zeigen mir, dass Führung heute nahezu immer im Kontext der Umbrüche erfolgt. Ob Pandemie oder die Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung und den Lieferketten, ob es um die digitale Transformation geht – für Unternehmen sind radikale Veränderungen heute die Regel. Routinen, die früher Stabilität und Orientierung gaben, verlieren ihre Bedeutung.

Neue Erwartungen an Führungskräfte

Die Konsequenz für die Führungskräfte: Man erwartet von ihnen heute mehr als früher, dass sie Beziehungen pflegen, Widersprüche aushalten. Und auch, dass sie sich nicht aus nichtssagend gewordenen Schemata leiten lassen.

Agile Methoden, New Work oder wertorientierte Führung sind heute keine vorübergehenden Moden, sondern Antworten auf die Erfahrungen der Gegenwart: Wir müssen die Sprache der Führung neu erspüren. Statt alles selbst entscheiden zu wollen, wird es jetzt bedeutender, Menschen so zu stärken, dass sie Verantwortung für Entscheidungen übernehmen können und in kuriosen Konstellationen handlungsfähig bleiben können.

Das fordert auch mich in meinem eigenen Umfeld heraus:

Menschen verstehen, wenn sie unter Druck stehen

eigene Werte demonstrieren, wenn die Zahlen gedrückt werden

Diversität wirksam werden lassen, wenn die Unterschiede in die Krise führen

All das kann ich nicht leisten, wenn ich mich einer Tasche voller Tricks bediene. Das verlangt von mir, Methoden nicht nur anzuwenden, sondern auch selbst zu hinterfragen und Handlungsmöglichkeiten offen zu halten.

Praxisfragen rund um Führung in Veränderungsprozessen

Wenn ich mit Teams oder Führungskräften arbeite, tauchen immer wieder die gleichen Fragen auf:

Wie verstehe ich mein Team besser in der Krise?

Wie verhindere ich Eskalationen bei angespannten Stimmungen?

Wie wirkt mein Führungsstil gerade in unsicheren Zeiten?

Was mich beeindruckt: Diese Fragen entstehen nicht primär aus dem Bedürfnis nach Effizienz, sondern aus einer echten Sorge um den Zusammenhalt. In Zeiten, in denen Routinen ständig ins Wanken geraten, suchen Unternehmen nach Wegen, Stabilität zu schaffen.

Und genau hier wird ein Modell wie DiSG® interessant: Es verspricht, Verhalten greifbar zu machen und Unterschiede nachvollziehbar zu beschreiben.

Das DiSG®-Modell als Werkzeug für Führung in Veränderungsprozessen

Das DiSG®-Modell – klingt vielleicht im ersten Moment nach dem nächsten Trend aus dem Coaching-Regal, aber tatsächlich steckt da eine ziemlich praxisnahe Methodik dahinter. Entwickelt hat es William Moulton Marston, ein Mann vieler Talente, in den 1920er Jahren. Er wollte wissen: Wie reagieren Menschen auf Herausforderungen? Anstatt sich in psychologischen Tiefen zu verlieren, hat er sich auf das konzentriert, was im Geschäftsalltag zählt – das sichtbare Verhalten.

Das Modell teilt Verhalten in vier Grundstile auf: Dominanz (D), Initiative (i), Stetigkeit (S) und Gewissenhaftigkeit (G). Jeder Stil steht für bestimmte Präferenzen und Herangehensweisen.

D = Dominant

direkt, entscheidungsfreudig, ergebnisorientiert

Prioritäten im Verhaltensstil: Ergebnisse, Herausforderungen, Aktion

i = initiativ

optimistisch, kommunikativ, begeisterungsfähig

Prioritäten im Verhaltensstil: Begeisterung, Zusammenarbeit, Aktion

S = Stetig

einfühlsam, loyal, teamorientiert

Prioritäten im Verhaltensstil: Unterstützung, Zusammenarbeit, Stabilität

G = Gewissenhaft

sorgfältig, systematisch, faktenorientiert

Prioritäten im Verhaltensstil: Genauigkeit, Qualität, Stabilität

Wichtig dabei

Kein Mensch passt zu 100% in nur eine Kategorie. Die meisten von uns sind irgendwo dazwischen – mal durchsetzungsstark, mal eher analytisch, je nachdem, was die Situation erfordert. Die Einteilung in vier Grundstile ist bewusst einfach gehalten – und in unsicheren Zeiten damit sehr hilfreich.

In Kooperation mit www.disgprofil.eu

 

DISG ist kein Werkzeug zur Persönlichkeitsanalyse, sondern ein Orientierungssystem. Es hilft, Verhalten besser einzuordnen und schafft dadurch eine gemeinsame Basis für Kommunikation im Unternehmen. Gerade in Teams, wo unterschiedliche Charaktere zusammenkommen, kann das enorm hilfreich sein. Wenn gewohnte Abläufe wegbrechen, helfen Orientierungspunkte, an denen sich Teammitglieder entlanghangeln können, enorm.

Wo bringt das DiSG®-Modell echten Mehrwert?

Erstens sieht man klarer, wo die eigenen Stärken liegen und wo Entwicklungspotenzial besteht.

Zweitens: Die Kommunikation im Team läuft reibungsloser, weil man die unterschiedlichen Reaktionsmuster versteht und respektiert.

Drittens bringt das Modell Struktur in die Vielfalt menschlichen Verhaltens, ohne sie zu stark zu vereinfachen.

Und nicht zuletzt lassen sich Unterschiede zwischen Mitarbeitern oder Situationen objektiver beschreiben.

Kurz gesagt: Das DiSG®-Modell liefert ein kompaktes, verständliches Raster, das Orientierung und Vergleichbarkeit schafft – ein echter Vorteil im Business-Alltag, ohne in Schubladendenken abzurutschen.

DiSG®-Modell: Beispiel aus der Praxis

In einer Situation, in der ich als Führungskraft stark in meine „D-Rolle“ gefallen bin – also schnell, direkt und entscheidungsorientiert agiert habe –, erhielt ich später von einem Teammitglied die Rückmeldung, dass mein Auftreten überfordernd wirkte, insbesondere auf jemanden mit einer ausgeprägten Stetigkeitsorientierung. Erst durch die Perspektive des DiSG®-Modells wurde mir bewusst, dass ich meine Kommunikationsweise anpassen musste. Nicht, um mich zu verstellen, sondern um auch in einer von Unsicherheit geprägten Situation handlungsfähig zu bleiben.

“Im Kern verstehe ich DiSG® als Mittel zur Selbstreflexion. Es bietet eine Sprache zur Strukturierung von Verhalten in einer Welt, die häufig chaotisch wirkt.”

Chancen und Risiken des DiSG®-Modells für Führung in Veränderungsprozessen

Gleichzeitig weiß ich, dass gerade in Krisenzeiten die Versuchung groß ist, nach einfachen Antworten zu greifen. Die Macht von DiSG® kann ein Nährboden für diese Illusion sein. Aber Menschen sind keine vier Buchstaben. Und sie verhalten sich je nach Situation komplett unterschiedlich. Deshalb sehe ich das Modell nicht als Diagnosetool, sondern als Einstieg in Gespräche. Gerade wenn Abläufe ins Wanken geraten, ist es wichtig, Unterschiede nicht zu zementieren, sondern sie flexibel zu betrachten. DiSG® kann mir zeigen, wo meine Muster liegen – aber es darf nie zur Schublade werden, in die andere gesteckt werden. Am wertvollsten finde ich den Einsatz von DiSG®, wenn es eingebettet wird in Feedback, Coaching und werteorientierte Führung. So wird es Teil einer Resilienzstrategie – einer Haltung, die Unterschiede nutzt, statt sie zu glätten.

DiSG®-Workshops bei Projektron

In diesem Jahr durfte ich bereits sechs aktive DiSG®-Workshops mit Reflexionsimpulsen bei Projektron begleiten – und die Resonanz war durchweg positiv. Besonders spannend war für mich zu sehen, wie schnell die Teilnehmer die Theorie mit ihrem Arbeitsalltag verknüpfen konnten. In Übungen, Reflexionsrunden und Praxisbeispielen wurde deutlich, wie hilfreich das Modell für eine offene und konstruktive Zusammenarbeit ist.

Für die kommenden Monate sind weitere Workshops in Planung, darunter auch spezielle Formate, die gezielt auf die Bedürfnisse von Führungskräften bei Projektron eingehen. Denn gerade im Führungsalltag ist es entscheidend, das eigene Verhalten bewusst steuern und die Kommunikation auf unterschiedliche Persönlichkeitsstile anpassen zu können.

Fazit: Führung in Veränderungsprozessen braucht Reflexion statt Routinen

Wenn wir aus Krisen eines gelernt haben: Stabilität ergibt sich heute nicht länger aus Routinen, sondern aus der Fähigkeit, sich anzupassen. Für mich persönlich bedeutet das: Verhalten ist der Hebel, an dem Führung ansetzen muss. DiSG® kann hierbei ein brauchbares Werkzeug darstellen – sofern ich es nicht als Etikettierung, sondern als Einladung zur Selbstreflexion verstehe. Am Ende ist für mich die entscheidende Frage: Wie wirke ich in unsicheren Zeiten auf andere – und was kann ich tun, um mein Team gestärkt durch die Veränderung zu führen?

Copyright Everything DiSG®/DiSG® Wiley&Sons

Über den Autor

André Türpe ist Geschäftsführer der projecDo GmbH und Experte für agile Organisationsentwicklung. Seit vielen Jahren begleitet er Führungskräfte und Teams dabei, in komplexen Veränderungssituationen handlungsfähig zu bleiben und Resilienz aufzubauen. Seine Schwerpunkte liegen in der Entwicklung von Führungskompetenzen, der Moderation von Transformationsprozessen und der Einführung moderner Arbeits- und Projektmethoden. Mit praxisnahen Reflexionsimpulsen und einem breiten 

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