01.09.2021 - Fachartikel

EVA3 im Beschwerdemanagement: kundenorientierte Konfliktlösung in 5 Schritten

Können Sie mit Kritik umgehen? EVA3 hilft Ihnen, sich ein Schema für Ihren Umgang mit Kundenbeschwerden zu errichten. Was die EVA3-Methode ist, wie Sie sie zur Konfliktlösung im Beschwerdemanagement Ihres Unternehmens erfolgreich etablieren und wie Sie von Ihrer Anwendung profitieren, erfahren Sie in diesem Artikel.

Was ist die EVA3-Methode?

Wo gehobelt wird, dort fallen Späne. Oder anders ausgedrückt: Wo Menschen geschäftlich kooperieren – sei es als Kollegen innerhalb eines Teams oder in Form einer Unternehmen-Kunden-Beziehung, sind Meinungsverschiedenheiten und Konflikte unvermeidbar. Damit umzugehen und Beschwerden von Kunden zu einer versöhnlichen Lösung zu führen, ist Aufgabe des Beschwerdemanagements.

Im Beschwerdemanagement ist es vor allem im Hinblick auf die Beschwerdeannahme, die Beschwerdebearbeitung, aber auch für die Beschwerdeauswertung wichtig, strukturiert und planvoll vorzugehen. Die Ziele beider Parteien, also des Kunden als Beschwerdeführer und des Unternehmens als Beschwerderezipient, sind klar:

  • Der Kunde möchte in seinen Anliegen ernst genommen werden.
  • Sie möchten den Kunden nicht verlieren, sondern langfristig binden.
  • Sie möchten beide das Problem lösen.

Eine Methode, mit der Sie nicht nur das Problem des Kunden lösen, sondern auch die Kundenzufriedenheit steigern, die Kundenbindung erhöhen und gleichzeitig ihr Verständnis für die Bedürfnisse Ihrer Kunden stärken, ist EVA3. Natürlich gibt es kein „One-answer-fits-all“, keine Blaupause für das Beschwerdemanagement, keine Garantie für glückliche Kunden. Die EVA3-Methode bietet aber ein Grundgerüst oder einen Handlungsleitfaden, der Ihnen hilft, Ihr Beschwerdemanagement zu strukturieren und zu einem gewissen Grad zu standardisieren.

Das EVA3-Prinzip entfaltet seine volle Stärke im Fall von berechtigten und mündlich vorgetragenen Kundenbeschwerden, die beispielsweise in einem Kundensupport-Center telefonisch eingehen.

Beschwerdemanagement in 5 Schritten – Dafür steht EVA3

EVA3 könnte auch als EV3xA oder EVAAA bezeichnet werden. Hinter dem Akronym verbergen sich 5 Schritte, die den Prozess von der Annahme einer Beschwerde bis zum Abschluss des Beschwerdevorgangs mit einer für beide Seiten positiven Lösung beschreiben.

EVA3 steht für:

  • entschuldigen
  • verstehen
  • analysieren
  • auflösen
  • abschließen

Im Folgenden werden die fünf Schritte detaillierter beschrieben.

1. Schritt: „E“ – Um Entschuldigung bitten

Mit einem ausgesprochenen „Entschuldigen Sie bitte“ ist kein bloßes Lippenbekenntnis, keinesfalls vorauseilender Gehorsam oder ein blindes Schuldeingeständnis gemeint. Vielmehr sollte es sich um eine ernsthafte und aufrichtige Bitte um Entschuldigung handeln. Dies setzt aber voraus, dass Sie den Beschwerdegrund aus Sicht des Kunden tatsächlich ernst nehmen und die Motivation für seine Beschwerde nachvollziehen lernen.

Um eine Beschwerde überhaupt nachvollziehen zu können, bedarf es aber unbedingt des Zuhörens und des Einfühlens in die Perspektive des Kunden. Der Entschuldigung muss also immer vorausgehen, dass der Beschwerdeführer sein Anliegen vollständig vortragen kann. Vor dem „E“ sollte also eigentlich noch ein „Z“ wie „Zuhören“ stehen, aber zugegeben – „ZEVA3“ klingt einfach nicht so gut.

Mit einer Entschuldigung gibt man Fehler zu. Wenn Sie überzeugt sind, keinen Fehler gemacht zu haben, aber das Anliegen des Kunden verstehen, sollten Sie sich nicht entschuldigen aber Ihr Bedauern für das Problem des Kunden auch aussprechen.

2. Schritt: „V“ – Verständnis zeigen

Um Verständnis zeigen zu können, ist zunächst aktives Zuhören absolute Grundvoraussetzung. Aktives Zuhören bedeutet aber auch, auf die vom Kunden vorgetragene Beschwerde einzugehen, Rückfragen zu stellen und ihm zu signalisieren, dass seine Botschaft ankommt. Dazu ist es sinnvoll, Formulierungen des Kunden direkt aufzugreifen und sie in Rückfragen und Antworten zu integrieren.

Die Kritik des Kunden sollten Sie als Beschwerdeempfänger niemals auf sich selbst beziehen. Zeigen Sie nicht nur Verständnis für das eigentliche Problem, das der Kunde schildert, sondern auch für seine emotionale Situation, die im Beschwerdefall meist von Frustration geprägt ist. Der Ärger richtet sich in aller Regel nicht auf Sie als Person. Bleiben Sie daher immer sachlich und objektiv.

3. Schritt: „A“ – Analyse des Problems

Gerade wenn sich der Kunde in einer emotional stark aufgewühlten Verfassung befindet, ist es wichtig, dass Sie sich auf die Suche nach dem eigentlichen Problem und somit dem Auslöser seiner Frustration begeben. Hierbei hilft nur ruhiges Nachfragen. Geben Sie dem Kunden aber nach jeder Frage genügend Zeit, um auszureden. In der Beschwerdeannahme zählt nur die Sicht des Kunden, nicht Ihre eigene oder die Ihrer Mitarbeiter.

Geben Sie Ihrem Kunden das Gefühl, wertgeschätzt und mit seinem Anliegen ernst genommen zu werden. Helfen Sie ihm bei der Verbalisierung und genauen Beschreibung des Problems. Je mehr der Kunde berichtet, desto wahrscheinlicher ist es, dass er in seiner Aufregung den tatsächlichen Kern seines Problems benennt und konkreter umreißt.

Oft ist die aktuelle Beschwerde nur der Anlass für ein tieferliegenderes Problem. Dies wird bei der Analyse oft nicht offengelegt, wenn die Schritte eins und zwei übersprungen werden.

4. Schritt: „A“ – Auflösung des Problems

Sobald es Ihnen gelang, das Problem zu erkennen, sollten Sie es konkret benennen. Dieser Punkt stellt eine Wende im Gesprächsverlauf dar: Ab sofort geht es nicht mehr um die Ursachen des Problems, sondern nur noch um die Lösung. Hier gibt es im Wesentlichen zwei Szenarien:

Ist das Problem leicht lösbar, also handelt es sich beispielsweise um einen Bedienungsfehler seitens des Kunden, sollten Sie keinesfalls Vorwürfe äußern oder in Schuldzuweisungen verfallen. Im Gegenteil: Äußern Sie Verständnis dafür, dass Ihr Kunde die Lösung nicht selbst gefunden hat.

Lässt sich das Problem nicht direkt lösen, sollten Sie versuchen, den Kunden aktiv an der Lösungsfindung zu beteiligen. Fragen Sie ihn, beispielsweise im Fall der Beschwerde über eine vermeintlich fehlende Funktion in einer Software, konkret:

  • Welches Feature oder welche Funktion wünschen Sie sich?
  • Wie müsste die Navigationsführung so verbessert werden, dass Sie die gewünschte Funktion leicht finden?
  • Würden Sie sich in einem solchen Fall mehr Hilfestellungen im Produkt selbst wünschen?
  • Was müssten wir verbessern, damit die Usability der betreffenden Funktion Ihren Erwartungen entspricht?

5. Schritt: „A“ – Abschluss des Beschwerdefalls

Bringen Sie das Gespräch zu einem versöhnlichen Abschluss. Ziel ist es, den Kunden zu entlassen

  • in einer positiven Grundstimmung,
  • mit einem guten Eindruck vom Kundenberater und dem gesamten Unternehmen und
  • dem Gefühl, das Problem gelöst zu haben.

Bedanken Sie sich daher bei Ihrem Kunden, dass er seine Beschwerde geäußert hat. Konnten Sie dem Kunden auch wirklich weiterhelfen und sein Problem erfolgreich lösen, drücken Sie Ihre Freude darüber aus. Ist das Problem nicht direkt lösbar, begründen Sie nachvollziehbar und transparent, woran dies genau liegt.

Tipp: Müssen Sie Beschwerden intern weiterleiten und anderen Bearbeitern oder Vorgesetzten zur Prüfung weiterleiten, bemühen Sie sich um eine zügige Bearbeitung und Auswertung. Kommunizieren Sie dem Kunden klar, wann er mit einer Antwort rechnen kann.

Use Case Beschwerde-E-Mail: EVA3 adaptiert

Das EVA3-Konzept wurde vor allem für mündliche Konversationen entwickelt, in denen Kunden berechtigte Beschwerden vortragen. Daher eignet sich die Methode vor allem für die Bearbeitung berechtigter Kundenbeschwerden im B2C-Kontext. Allerdings lässt sich das EVA3-Grundprinzip auch auf die Bearbeitung schriftlicher Kundenbeschwerden im B2B-Kontext übertragen. Selbst wenn die Kundenbeschwerde zu Unrecht erfolgen sollte, ist EVA3 als Schema durchaus anwendbar.

Lassen Sie dabei Vorsicht walten! Streiten Sie beispielsweise mit einem Kunden über in Rechnung gestellte Aufwände, kann eine Entschuldigung leicht als Schuldeingeständnis Ihrerseits ausgelegt werden. "E" wird in diesem Fall zu "B": "Bedauern ausdrücken". Eine passende Antwort auf eine Beschwerde-E-Mail könnte in Grundzügen folgendermaßen aussehen:

Sehr geehrter Herr XY, 

ich bedaure, dass wir ihre Erwartungen nicht erfüllen (Bedauern, keine Entschluldigung!). Natürlich kann ich Ihren Standpunkt sehr gut verstehen und Ihre Argumentation nachvollziehen (Verständnis).

Bei dem von Ihnen geschilderten Anwendungsfall handelt es sich tatsächlich, wie Sie auch schon sehr richtig anmerkten, um eine sehr spezifische Regelung aus einem Kollektivvertrag. Uns ist derzeit kein anderer Kunde bekannt, der diese Anforderung hat (Analyse). Daher können wir Ihr Anliegen leider nicht nur auf Kosten von Projektron umsetzen (Auflösung).

Das Thema ist leider nicht standardwürdig und bedarf eines Anpassungstickets. Daher und aufgrund Ihres Kommentars vom 24.02.20xx, nehmen wir dieses Ticket als Vorschlag auf (Abschluss).

Vielen Dank für Ihre Anregung. Wir freuen uns auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit.

Beschwerden mit EVA3 annehmen - Kundenbeziehungen vertiefen

Die Beschwerde bietet Ihnen die Möglichkeit, in den direkten Dialog mit Ihrem Kunden zu treten und ungefiltert zu erfahren, was er sich wünscht und von Ihnen und Ihren Produkten erwartet. Ehrlichere Antworten und qualitativ besseren Erkenntnisgewinn als im Beschwerdefall werden Sie in keinem Kundenfragebogen und mit keinem anderen Instrument der primären Marktforschung erhalten.

Beschwerdemanagement ist daher elementarer Bestandteil des Customer Relationship Management (CRM) und eine Chance, die Kundenzentrierung zu vertiefen. EVA3 ist ein Werkzeug, mit dem Sie wichtige Informationen erhalten, um die Produktqualität zu verbessern, beispielsweise UX und Usability Ihres Produkts zu optimieren, und neue Marktchancen zu identifizieren.

In diesem Sinne: Wir von der Projektron GmbH wünschen Ihnen ein erfolgreiches Beschwerdemanagement und gestärkte Kundenbeziehungen!

Über den Autor

Die Geschäftsführung der Projektron GmbH trägt derzeit die Verantwortung für mehr als 100 Mitarbeiter. Den persönlichen Kontakt zum Kunden definierten die Projektron-Verantwortlichen als essenziellen Bestandteil des Erfolgs. Trotz allen positiven Kundenfeedbacks bleibt auch die Konfrontation mit der ein oder anderen Kundenbeschwerde unvermeidbar. Dabei setzt die Geschäftsführung selbst seit Jahren erfolgreich auf die EVA3-Methode.

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